Zwischen Gedanken- und Emotionswirrwarr, schmerzvollem und weniger schmerzvollem Abschiedsstress und nicht zuletzt auch erneute Reisevorbereitungen, finde ich heute grade noch so die Zeit ein bisschen über meinen Abschied aus von meiner kleinen Welt in Chile zu philosophieren.
Abschiede fielen mir schon immer schwer, nicht nur weil ich nur schweren Mutes an meine Abreise denke, sondern auch weil ich furchtbar schlecht darin bin. Und wie erwartet, wurde ich bei meiner ersten Verabschiedung im Kindergarten von den Erzieherinnen wegen meinen trockenen, scheinbar unberührten Augen aufgezogen, denn so ne richtige Träne konnte sich mir doch nicht entrinnen - und so war ich gleich Klischeekonform die gefühlskalte Deutsche. Dass es vielleicht daran liegen könnte dass ich bis zum Ende hin mit fast keiner meiner Kolleginnen dort eine engere Beziehung hatte, dachte sich der ein oder andere bestimmt auch im Hinterkopf.
Und das wäre vielleicht auch schon der erste Grund warum ich mein Happyend in Frage stellen könnte, und ja, auch definitiv nicht der Einzige. Ich glaube sehr viele, die ein ähnliches Jahr wie ich hinter sich haben, können bestätigen: Das Jahr ist alles, aber nicht einfach. Die Zufriedenheit und die Dankbarkeit die ich jetzt empfinde kamen nicht ohne langen Weg dahin; genauso holprig hab ich es jetzt doch zu dem leichten Lächeln in meinem Gesicht geschafft, wenn ich an meine vielen schlechten Momente, die vielen vergeigten Situationen und die ungelösten Probleme denke.
Abschiede kommen für mich auch irgendwie immer im falschen Moment, das kann doch nicht nur mir so gehen? Ich fühle mich tatsächlich erst seit höchstens 1-2 Monaten tatsächlich angekommen, mit sozialem Umfeld, Alltag, zumindest erst seit dieser kurzen Zeit mit einem "so ist es schön, so darf es bleiben"-Gedanken dahinter. Ich habe das Gefühl noch nicht zu richtig abschließen zu können, denn ich werde grade aus einer sehr schönen Phase meines Chilelebens herausgerissen.
Da gibt es noch so viele Menschen, die ich gerne besser kennen gelernt hätte, so viele Orte In der Stadt und drum herum, die ich noch gerne besucht hätte, so viele Möglichkeiten die mir jetzt erst bewusst werden, und noch viel mehr Dinge die ich in den Projekten gerne umgesetzt hätte - aber das wahrscheinlichste ist wohl, dass man da nie zu einem Sättigungspunkt kommt - und man soll ja schließlich aufhören wenn am schönsten ist.
Abschiede haben auch immer zwei Seiten, denn wie das Sprichwort + drei Meter langem Bart schon sagt: Ein Abschied ist auch immer ein Neuanfang. Und dieser wird für mich ein sehr entscheidender, sehr spannender Neuanfang werden, auf den ich mich natürlich auch dementsprechend freue. Ich bin schon geradezu nervös, wohin es denn nun am End mit mir Unitechnisch geht, denn das weiß ich leider immer noch nicht. Ich habe es während diesem Jahr total genossen praktisch zu arbeiten, mal wirklich was zu tun mit meinen Händen statt drüber zu reden, und wenns die Nase putzen von kleinen Kindern, Blutdruckmessen bei Senioren oder ein paar Brote am Busterminal verteilen ist und nich die Rettung der Welt. Und trotz kompletter Mathe- und sonstiger Theorie-Abstinenz, habe ich das Gefühl mehr über das Leben gelernt zu haben als in der gesamten Oberstufe. Ich habe aber trotzdem angefangen den Input für den Kopf zu vermissen und gehe mit viel Freude auf das Studium und über das Glück etwas lernen zu dürfen aus diesem Jahr.
Und wenn diese ganze Philosophiererei hier grade vielleicht doch einen roten Faden hatte und dadurch auch ein Fazit dann wäre es vielleicht das: Auch wenn für einen Freiwilligen wie mich vielleicht absolut nicht die konkreten Erwartungen erfüllt werden an Projekt, Famillie, Freunde und Land; so durfte ich doch zumindest erkennen, dass meine abstrakteren Hoffnungen doch irgendwie erfüllt wurden, wie zB absolut neue, unbekannte Erfahrungen zu machen, mich in irgendeiner Weise nützlich machen, eine andere Kultur hautnah, in HD und 3D, zu erleben, auch wenn ich bei allen drei Dingen noch nicht den blassen Schimmer hatte von was ich da rede.
Nächste Woche geht es für mich erstmal noch auf eine letzte Reise in Südamerika, bevor ich dann Ende August wieder im Heimatland auftauchen werde!
Bis bald
Marlene